Benchmarking der AGORA KV-Terminals Qualitätskennzahlen

Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit erheben die Mitglieder der AGORA Arbeitsgruppe – bestehend aus europäischen KV-Terminalbetreibern – bereits seit vielen Jahren betriebliche Kennzahlen mit Hilfe von definierten Messmethoden und lassen sie von dem AGORA Sekretariat als neutrale Stelle evaluieren, aggregieren und vorstellen. Mit dem Benchmarking wird die Veränderung der eigenen Kennzahlen im Zeitablauf sichtbar, zusätzlich wird ein Vergleich mit den anderen AGORA-Terminals angestellt. Ursachen für augenscheinliche Unterschiede werden dabei so weit wie möglich herausgearbeitet und so ein gemeinsames Lernen von den jeweils Besten ermöglicht. Im Idealfall führt das Benchmarking dazu, die eigene Leistung zu verbessern. Die Systematik ist der Abbildung 1 zu entnehmen.

Abbildung 1: Benchmarking in der AGORA Gruppe

Quelle: AGORA Sekretariat

Erklärungskennzahlen

Die ersten Analysen zeigten eine große Heterogenität der KV-Terminals, die den Vergleich untereinander erschwerten. Daher wurden Terminalkategorien oder -cluster gebildet u.a. anhand der folgenden Merkmale (siehe dazu Abbildung 2):

  • angebundene Verkehrsträger (Straße, Schiene, Wasserstraße, Kurzstreckenseeverkehr),
  • KV-Märkte (maritimer-, kontinentaler KV),
  • Ladeeinheiten-Mix (Container, Wechselbehälter, Sattelanhänger), oder auch
  • Umschlaggeräte-Typen (schienenfahrbare Portalkrane (RMG), gummibereifte Portalkrane (RTG), mobile Umschlaggeräte (z.B. Reachstacker) oder andere Technologien.

So wird die Umschlagleistung eines KV-Terminals, das ausschließlich maritime ISO-Container umschlägt, mit Sicherheit höher ausfallen als die eines KV-Terminals, das sich auf kontinentale Verkehre mit Schwerpunkt auf Sattelanhänger spezialisiert hat. In der AGORA Gruppe haben sich solche Merkmale als „Erklärungskennzahlen“ etabliert, sie variieren je nach Terminalkennzahl, die erhoben wird.

Abbildung 2: Terminalcluster der AGORA Gruppe

Quelle: AGORA Sekretariat

Benchmarking – Terminalqualität

In den letzten Jahren wurde das Benchmarking jeweils unter einem bestimmen Themenbereich erhoben. Bei der letzten Erhebung sollte die „Terminalqualität“ genauer untersucht werden. Zu Beginn stellte sich die Frage: wie kann die Terminal Qualität allgemein definiert werden?

Grundsätzlich kann die Qualität als die Erfüllung möglichst aller Kundenanforderungen an ein bestimmtes Produkt verstanden werden. Eine Zugabe weiterer – für Kunden nicht relevanter – Merkmale kann deshalb die Qualität nicht positiv beeinflussen. Daher kann auch keine Kompensation von fehlenden Merkmalen durch Zugabe anderer Funktionen erfolgen.

Kunden und Terminals assoziieren mit dem Produkt „Terminalumschlagleistung“ eine Vielzahl von Merkmalen und Anforderungen:

  • „kurze“ Lkw-Durchlaufzeiten,
  • „Pünktliche“ Zugankünfte und –abfahrten,
  • „schneller und fehlerfreier“ Umschlag von Ladeeinheiten,
  • „Ausreichend“ dimensionierte Abstellflächen für LE,
  • Angebot von “relevanten” Value added services (VAS),
  • „Lückenlose“ Information zum LE/Zug-Status,
  • Allgemeine Kundenorientierung („Kundenservice“),
  • „grüne“ im Sinne von energieeffizienter Terminalleistung,
  • „Hoher“ Standard bei der Arbeitssicherheit/-Gesundheit.

Die Diskussion der letzten AGORA-Workshops hat gezeigt, dass die Erhebung einer Vielzahl an Kennzahlen, die die Terminalqualität abbilden sollen, nicht unbedingt zielführend ist. Die Mitglieder der AGORA Gruppe sind sich einig, dass die Messung der Terminalqualität anhand von zwei Hauptkennzahlen erfolgen soll, nämlich

  • der Lkw-Durchlaufzeit und
  • dem Anteil aufgeholter Zugeingangsverspätungen.

Der einfache Grund für die Auswahl: die (negative) Ausprägung der beiden Kennzahlen werden bei den Kunden der KV-Terminals am ehesten sichtbar. Spediteure und Trucker erfahren als erste, wenn ihre Lkws bei Betriebsstörungen zu lange in den Terminals verweilen. Ähnlich geht es den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVUs) und KV-Operateuren, wenn die Ausgangszüge nicht pünktlich das Terminal verlassen.

Lkw-Durchlaufzeit

Zunächst sollte bei der Erhebung der Lkw-Durchlaufzeit darauf geachtet werden, dass die gemessenen Zeitintervalle sowie die erhobene Einheit bekannt sind. Bei den Zeitintervallen wird idealerweise von Terminal-In bis Terminal-Out jeder Prozessschritt einzeln gemessen; die Summe aller Zeitintervalle ergibt die Gesamt-Lkw-Durchlaufzeit. Dies ist allerdings nicht immer möglich. Je nach Lkw-Gate Layout, Prozessabfolgen aber auch Vorhandensein von OCR-Gates oder Schranken mit Zeitstempeln können sich unterschiedliche Messintervalle bei den Terminals ergeben, die bei der Interpretation der Kennzahl berücksichtigt werden sollten.

Abbildung 3: LKW-Durchlaufzeit – Typische Prozessschritte

Quelle: AGORA Sekretariat

Bei der Einheit ist darauf zu achten, ob die Terminal IT-Systeme die Durchlaufzeit auf Basis der einzelnen Ladeeinheit (LE) oder auf Basis von Lkws erheben. Beim Letzteren wird die Dauer grundsätzlich länger ausfallen, da ein Lkw pro Terminalaufenthalt bis zu vier Ladeeinheiten transportieren kann. Bei den AGORA Terminals gibt es in Bezug auf die erhobene Einheit eine bunte Mischung. Es gibt nur wenige Terminals, die sowohl auf Lkw- als auch auf LE-Basis die Durchlaufzeiten erheben.

Zu den weiteren Einflussfaktoren, die unterschiedliche Lkw-Durchlaufzeiten erklären können, zählen:

  • Anzahl LE pro LKW;
  • Layout (Fahrwege, Distanz und Dimensionierung des Lkw-Gates);
  • Wege-Kennzeichnung / Navigation;
  • Grundsätzliche Auslastung des Terminals / des Gate-Ins; 
  • Grad der IT-Unterstützung (manuelle Prozesse u.a. auch beim Abschluss der Aufträge im Terminal Operating System).

Bei der Kennzahlenerhebung haben 15 AGORA Terminals teilgenommen. Dabei betrug die durchschnittliche Durchlaufzeit rund 34 Minuten/Lkw bzw. 25 Minuten/LE. Die kürzesten Durchlauzeit betrug 15,5 Minuten/Lkw bzw. 12 Minuten/LE; die längste lag bei 55 Minuten/Lkw bzw. 41 Minuten/LE. Erwartungsgemäß weisen Terminals mit genügend Kapazitätspuffern und einer kompakten Layout-Konfiguration die kürzesten Durchlaufzeiten auf.

Anteil aufgeholter Zugeingangsverspätungen

Bei der zweiten Qualitätskennzahl, dem Anteil aufgeholter Zugeingangsverspätungen, werden die Ausgangszugverspätungen in Relation zu den Eingangszugverspätungen gesetzt mit Hilfe der folgenden Formel: 

Wenn die Kennzahl 100% beträgt, war das Terminal in der Lage sowohl die Verspätungen im Eingang als auch Verspätungen während des terminalseitigen Zugslots gänzlich aufzuholen. Dies ist die Zielgröße der Kennzahl. Bei negativen Werten hat das Terminal im Zugslot weitere Verspätungen generiert und/oder die Eingangszugverspätungen nicht aufholen können.

Auch bei dieser Kennzahl ist die Betrachtung der Messintervall-Definition wichtig. Dazu zählen die Start- und Endpunkte der Verspätungsmessungen sowie der Zeitpunkt, ab dem eine Verspätung gemessen wird (ab der 1. Minute, ab 15 oder erst ab 30 Minuten). Abbildung 4 zeigt die möglichen Start- und Endpunkte der Verspätungsmessung. Die meisten AGORA Terminals messen zwischen Ankunft und Abfahrt im Umschlaggleis sowie ab der 1. Minute, weil für sie die Gleisbelegung – der Zugslot – die Kapazitätsgröße ist, die bewertet werden soll.

Abbildung 4: Mögliche Start- und Endpunkte für die Verspätungsmessung

Quelle: AGORA Sekretariat

Zur Erhöhung der Aussagekraft wurden zudem weitere Erklärungskennzahlen erhoben:

Die Auswertung hat ergeben, dass die AGORA Terminals rund 96% aller Zugeingangsverspätungen aufholen konnten zusätzlich zu den Verspätungen, die sich im Terminalslot ergeben haben könnten. Diese hohe Ausprägung macht die Leistungsfähigkeit der KV-Terminals deutlich, die, wenn genügend Puffer bei den Slotzeiten, der Abstell- und Umschlagkapazität vorgehalten wird, erreichbar ist.

Weitere relevante Kennzahlen zur Terminalqualität

Um grundsätzlich einen Eindruck zur Terminalqualität gewinnen zu können, kann die allgemeine „Kundenzufriedenheit“ sowie die „Reklamationsquote“ erhoben werden. Über Kundenbefragungen kann die allgemeine Kundenzufriedenheit mit den Terminalleistungen systematisch erfasst werden, während proaktive Rückmeldungen seitens der Kunden üblicherweise eher bei Betriebsstörungen und häufig in negativer Form als Beschwerden, Reklamationen und Haftbarhaltungen erfolgen.

Auch die Reklamationsquote gibt einen Eindruck über die Qualität der Terminaldienstleistungen. Bei einer übermäßig hohen Anzahl an Reklamationen ist das Terminal gut beraten nach den Ursachen zu forschen. Bei der Erhebung der Reklamationsquote ist es wichtig zwischen drei grundsätzlichen Kennzahlen zu unterscheiden (siehe Abbildung 5):

Abbildung 5: Abgrenzung Fehler und Reklamationen

Quelle: AGORA Sekretariat

Exkurs: OCR Gates und Haftbarhaltungen

OCR-Gates am straßen- und schienenseitigen Ein- bzw. Ausgang haben vielfache Vorteile für die betriebliche Leistung der Terminals und gehören mittlerweile zur Standardausstattung moderner KV-Terminals. Durch Objektivität und Transparenz haben sie auch einen angenehmen Nebeneffekt: Mit diesen Einrichtungen werden nicht nur LE- und Wagendaten sowie der Zustand der Ladeeinheiten visuell aufgenommen, sondern auch diverse Zeitstempel bei der Lkw- und Zugabfertigung erzeugt. So lassen sich die Lkw-Durchlaufzeit sowie die Zug Ein- und -ausgangsverspätungen systembasiert erheben; aufwendige manuelle Erhebungen und Excel-Listenpflege können so abgelöst werden. Mit den erzeugten Daten können Terminalbetreiber schnell feststellen, ob ein Lkw-Fahrer wirklich länger als gewohnt nicht abgefertigt wurde oder ob die Durchlaufzeit unauffällig war und damit der Lkw-Fahrer ggf. erst nach Verlassen des Terminals „aufgehalten“ wurde. Auch bei Zugverspätungen können sich KV-Terminals mit Hilfe von Train-Gates gegen Haftbarhaltungen der EVUs wehren, wenn Züge bspw. nachweislich bereits im Zugeingang zu spät waren. So berichten AGORA Mitglieder, dass sich nach der Installation von OCR-Gates die Anzahl an Haftbarhaltungen bereits enorm reduzieren. D.h. allein die Tatsache, dass die Terminals eine systembasierte Möglichkeit zur Nachprüfung von Reklamationen erhalten, führt zu einer Reduktion von Reklamationen. Dies reduziert den Bearbeitungsaufwand bei den Terminals, das Personal kann sich so mehr auf die Kernaufgabe – den Umschlag von Ladeeinheiten – konzentrieren.

Maßnahmen zur Verbesserung der Terminalqualität

Nach der Messung der Terminalqualitätskennzahlen, dem Vergleich im Zeitablauf und mit den anderen Terminals sowie der Interpretation der Kennzahlen unter Berücksichtigung von möglichen Erklärungskennzahlen, können im nächsten Schritt die möglichen Maßnahmen definiert werden, um die Terminalqualität nachhaltig zu verbessern. Neben der oben erwähnten Installation der OCR-Gates zur Reduktion der Haftbarhaltungen ist eine Vielzahl an Maßnahmen denkbar, wie in Abbildung 6 am Beispiel der Lkw-Durchlaufzeit gezeigt.

Abbildung 6: Qualitätsverbessernde Maßnahmen bei der LKW-DURCHLAUFZEIT

Die wohl wichtigste Maßnahme ist allerdings aus Sicht der AGORA Terminalbetreiber die folgende: Um eine gute Terminalqualität, im Sinne von störungsfreiem, schnellem und pünktlichem Umschlag, zu bieten, müssen genügend Kapazitätspuffer vorgehalten werden. Damit können betriebliche Störungen, tägliche Verspätungen sowie Aufkommensspitzen abgepuffert werden. Deshalb sollte bei der Zuweisung von Zug-Slotzeiten beachtet werden, dass die Auslastung der Teilkapazitäten Umschlaggeräte, Gleise inkl. Abstellgleise, Abstellflächen, Lkw-Gate max. 75% betragen sollte.

Über AGORA Intermodal Terminals:

Die Arbeitsgruppe AGORA Intermodal Terminals wurde im Jahre 2011 aus einem EU-Projekt heraus gegründet. Der Ansatz dieser Arbeitsgruppe besteht darin, die Terminalbetreiber zusammen zu bringen, um damit den Informations‐ und Ideenaustausch und das gemeinsame Lernen zu fördern im Hinblick auf „Good Practices“ im Terminalmanagement, Steigerung der Terminalkapazitäten und Verbesserung der Interaktion mit den KV‐Operateuren, Eisenbahnverkehrsunternehmen und anderen KV‐Akteuren. Die zurzeit 18 Mitgliedsunternehmen betreiben über 40 KV-Terminals mit einer Gesamtkapazität von rd. 5 Mio. Ladeeinheiten. AGORA Terminals kamen Jahr 2021 auf ein Umschlagvolumen von rund 4,4 Mio. Ladeeinheiten und erwarten eine weitere Verkehrszunahme im Jahr 2022. Das Sekretariat der AGORA wird von KombiConsult GmbH, Frankfurt am Main, betrieben.

Mehr Informationen unter: www.intermodal-terminals.eu